Geschichte

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1934 | Kampf um die Eigenart

Erlanger Verbindungsstudenten weigern sich, ihre Farben abzulegen

Eigenleben: Nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 macht sich in der Bubenruthia neben nationaler Hoffnung und Aufbruchstimmung auch die Sorge breit, in einen Sog von Vereinnahmung und Gleichschaltung zu geraten. In der Tat ist Hitler das bunte Eigenleben der Korporationen ein Dorn im Auge. Den Nationalsozialisten schwebt eine gleichgeschaltete, im "Studentenbund" (StB) organisierte Studentenschaft vor. Rudolf Hess, der Stellvertreter Hitlers, wird sehr deutlich: "Die alten Verbindungen müssen verschwinden!"

"Nicht arisch": Im August 1933 ergeben Nachforschungen des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB), dass der Großvater der Ehefrau eines Bubenreuther Philisters (Alter Herr) nicht „arisch“ gewesen sei. Der Betroffene, der Krebsforscher Karl Bauer, bietet seinen Austritt an, Bundesleiter Wilhelm Hagen weigert sich jedoch, diesen anzunehmen. Im Juni suspendiert sich die Burschenschaft selbst, "da sie gewillt ist, ihrem Philister Treue zu halten". Doch beim Reichskultusminister wird schließlich ein Einlenken erreicht. Er entscheidet, dass Bauer in seinem Bund bleiben dürfe.

Karl-Heinrich Bauer
Karl-Heinrich Bauer

Braune Uniform statt Couleur - dem Nationalsozialismus war das bunte Treiben der Korporationen ein Dorn im Auge.
Braune Uniform statt Couleur - dem Nationalsozialismus war das bunte Treiben der Korporationen ein Dorn im Auge.

Eklat: Das Jahr 1936 bringt das endgültige Aus für die Erlanger Verbindungen. Am 31. Januar kommt es auf einer akademischen Feier zum Jahrestag der Machtergreifung zum Eklat: Der Führer des StB fordert die korporierten Studenten auf, ihre Farben abzulegen oder den Saal zu verlassen – sie wählen das Zweite. An ein Weitermachen ist nun nicht mehr zu denken. In einer siebenstündigen Sitzung der Erlanger Verbindungen auf dem Uttenreuther Haus wird der gemeinschaftliche Auflösungsbeschluss gefasst. Die Fahne auf dem Bubenreuther Haus geht um 24 Uhr nieder.

 

Hin- und hergerissen. Es ist nicht die erste Verbotszeit, die die Burschenschaften und mit ihnen die Bubenreuther erleben. Das gab es schon hundert Jahre zuvor. Doch etwas ist anders: Damals standen die Burschenschaften voll und ganz in Opposition zu den Fürstenstaaten, doch nun hat man es mit einem "Reich" zu tun, das vieles von dem verspricht, wofür die Burschenschaften kämpften: Einheit, nationale Freiheit, Größe und Ansehen. Wie sollte man diese Visionen Hitlers von Grund auf verurteilen? Zumal es weltanschauliche Verbindungslinien gibt: Juden beispielsweise werden bereits seit 1880 nicht mehr aufgenommen.

Bei den rund 800 Bubenreuthern gibt es ein breites Spektrum an Haltungen zum neuen Staat: Von der Überzeugung, dass Hitler das Verhängnis über Deutschland bringe bis hin zu Bewunderung für den Führer, dessen Wahlspruch mit dem der Burschenschaften wesensgleich sei. Doch letztlich ist jedem klar, dem einen bang, dem anderen erwartungsvoll: Die burschenschaftliche Buntheit und die kantige Bubenreuther Eigenart sind Fremdkörper in eine gleichgeschalteten, totalitären Staat. Und darüber, wie dieser Staat mit Fremdkörpern umgeht, kann es keine Zweifel geben. 

Zusammenhalt: Wider Erwarten trifft die Bubenreuther die Auflösung nicht so tödlich wie manche befürchten, vergleichsweise nicht tiefer als die von 1833. Der Zusammenhalt ist so stark, dass die Jungen illegal aktiv bleiben und sogar neue Mitglieder hinzukommen. Nachdem auch das Bubenreuther Haus in der Östlichen Stadtmauerstraße beschlagnahmt wurde, strahlen Bubenreuth und die Mörsbergei umso stärkere Anziehungskraft aus, sehr zum Ärger des StB. Kraftvoll am Leben erhalten wird der Bubenreuther Geist vom alten Hermann Fehr – er wird "Fuchsmajor und lebendige Geschichte in einer Person". Vergeblich verbietet der Gaustudentenführer 1943 den Gebrauch des Wortes "Kneipe" als "burschenschaftliche Reminiszenz".



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